MHA in Afrika, Ausgabe 2017

Im Sommer dieses Jahres fand nach 2013 bereits das zweite internationale „Southern Africa Region Music Camp“ der Heilsarmee in Zimbabwe statt, organisiert und finanziell unterstützt vom Schweizer Hilfswerk SwiZimAid. Dieses Mal reisten etwa 250 junge und nicht mehr so junge Menschen aus Zimbabwe, Südafrika, Sambia und neu auch Malawi nach Harare, der Hauptstadt Zimbabwes. Im Ausbildungszentrum des nationalen Stromversorgers waren die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie das Leiterteam komfortabel in Zweierzimmern untergebracht – kein Vergleich zu den Schlafsälen der Mazowe High School im Jahr 2013.

Der Campus des ZESA National Training Centre

Auditions als Einstieg
Das zwölfköpfige Swiss Team (mit Unterstützung aus Nordirland sowie den USA und wiederum mit einer 1-Mann-Delegation des Musikvereins Harmonie Altstetten) reiste einige Tage vor Lagerbeginn an, um mit den Leitern aus den 4 Teilnehmerländern sowie den lokalen Institutionen die letzten organisatorischen und musikalischen Vorbereitungen zu treffen.

Nach teilweiser tagelanger Busreise trafen am Sonntag die „Delegates“ (die Lagerteilnehmer/innen) auf dem Lagergelände ein. Kaum hatten sie ihre Zimmer bezogen, standen sie schon zum Vorspielen bereit.

Ca. 30 Euphonien und Baritone später schwirrte mir der Kopf: Während die einen kaum eine Tonleiter zu Stande brachten, spielten andere mit einer unglaublichen Virtuosität. Dennoch war es nicht ganz einfach, die Musikantinnen und Musikanten in die A-Band, 2 B-Bands, die C-Band und die Anfänger einzuteilen. Auch die Sängerinnen und Sänger wurden einzeln „getestet“, um dann in zwei grosse Chöre geteilt zu werden.

Fragende Gesichter: Wer kommt in welche Band? (Und wie schreibt man diese afrikanischen Namen?)

Lagerbetrieb
Am Montag begann dann die eigentliche Probenarbeit: bis zu 5 Stunden Probe pro Tag, dazwischen Workshops von Musiktheorie über Singtechnik bis zum Dirigieren und an den Abenden diverse Veranstaltungen.

Eigentlich waren für „meine“ B-Band, die „Himes-Band“, 3 Dirigenten vorgesehen: Eddie aus Zimbabwe, Charles aus Malawi und ich aus der Schweiz. Allerdings zeigte es sich bald, dass Charles lieber Posaune spielte als zu dirigieren, und Eddie musste Mittwoch und Donnerstag zurück an die Schule, an der er Musik unterrichtet (wer in Zimbabwe Arbeit hat, riskiert seinen Job nicht durch Abwesenheit). So kam ich ganz unverhofft zu viel, ja ganzen Tagen mit „Dirigiertraining“ für mich, dafür wenig zum Euphonium Spielen.

Die Band-Mitglieder erwiesen sich als recht gute Blattleser, doch vor allem mit der Dynamik haperte es extrem; alles bewegte sich zwischen forte und fortissimo. Am zweiten Tag brachte ein langes Einspielen etwas Besserung: vielfache Wiederholungen des gleichen Chorals mit ganz unterschiedlicher Dynamik und Artikulation brachten die Erkenntnis, dass es sich lohnt, auf den Dirigenten zu schauen und dass es auch unterhalb von forte noch einige Dynamik-Stufen gibt.
So wuchsen wir, Musikbegeisterte aus 5 Ländern und 5 Jahrzehnten, langsam zu einer Band zusammen. Wenn ich dann am Abend über den Campus ging und mit „Hello Bandmaster, how are you?“ begrüsst wurde, fühlte ich mich durchaus etwas stolz und geehrt.

Musikalische Pannenhilfe
Ein besonderes Erlebnis waren wieder die vorhandenen Instrumente. Glücklicherweise gehörte dieses Jahr auch Monika zum Swiss-Team, eine gelernte Instrumentenreparateurin, die bald den Ehrentitel „Miracle Worker“ erhielt. Sie hatte auch einiges Spezialwerkzeug aus der Schweiz mitgebracht und bildete den Zimbabwer Walter in dessen Handhabung aus.

Kaum zu glauben, dass man darauf noch spielen kann!

Die hoffnungslosen Fälle landeten bei mir – da war nicht mehr viel kaputt zu machen. Mit meinen Kabelbindern, Klebeband und handgeschnitzten Holzstützen konnten immerhin ein paar Instrumente soweit fit gemacht werden, dass sie im Lager verwendet werden konnten.

Die Instrumenten-Klinik

Bereits einige Monate vor dem Lager war in der Schweiz ein Container auf die lange Reise ins südliche Afrika geschickt worden, der neben Kleidern, Spitalmaterial und vielem anderem auch etwa 80 Brass-Instrumente enthielt, die hier in vielen Stunden freiwilliger Arbeit von Profis revidiert worden waren.

Die Instrumente warteten auch tatsächlich im Hauptquartier der Heilsarmee in Harare auf uns bzw. die neuen Besitzer. Dann erlebten wir, dass es auch in Afrika und in der Heilsarmee „menschelet“: Die Vertreter der verschiedenen Korps, welche die Instrumenten erhalten sollten, waren bereits aus dem ganzen Land angereist, um die Instrumente in Empfang zu nehmen, als der neue Landeschef der Heilsarmee in Zimbabwe sein Veto einlegte, weil er angeblich bei der Verteilung nicht einbezogen worden war. Die Korpsvertreter mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen in der Hoffnung, zu einem späteren Zeitpunkt doch noch ihre Instrumente zu erhalten. So ganz hat sich uns der ganze Vorgang nie erschlossen, aber er hatte immerhin den Vorteil, dass wir während des Lagers auf einen Bestand von guten Instrumenten zurückgreifen und so einige „Leichen“ temporär ersetzen konnten.

Abschlusskonzert als Höhepunkt
Sehr schnell näherte sich die gemeinsame Woche ihrem Höhepunkt und Ende: dem Abschlusskonzert. Gleichzeitig stieg auch die Nervosität spürbar: alle wollten am Abschlusskonzert einen möglichst guten Eindruck hinterlassen.

Am Samstag war dann der grosse Tag: nach den obligatorischen Gruppenfotos trafen langsam das Publikum und die Heilsarmee-Honoratioren ein – bis zum Ende des Konzerts kamen immer wieder neue Zuhörer. Unsere Himes-Band hatte die Ehre, mit „Living Waters“ das Konzert zu eröffnen. Das Stück mit Gesangseinlage und einem enthusiastischen Hey-Ruf am Ende kam beim Publikum gut an, ebenso „Yellow Mountains“ von Jacob de Haan, das den Weg aus dem ZHBV-Dirigentenkurs nach Afrika gefunden hat. Auch die anderen Bands und die Songsters führten ihre Stücke erfolgreich auf, auch wenn nicht alle mit ihrem Ergebnis gleich zufrieden waren. (Unter https://mc2017.swizimaid.ch sind Videos vom Konzert zu sehen.)

An den vielen Erinnerungsfotos und -selfies und ausgetauschten WhatsApp-Nummern konnte man ermessen, dass in dieser gemeinsam verlebten Woche viele neue Kontakte und Freundschaften über Landes- und Mentalitätsgrenzen hinaus geschlossen wurden. Bei allen kam etwas Wehmut auf, als sich die Delegierten wieder auf den Rückweg in Ihre Heimatländer machten. Wieder war es sehr eindrücklich zu sehen, wie das gemeinsame Musizieren in kurzer Zeit aus Fremden Freunde gemacht hat.

Erholung am Sambesi
Nach dem Lagerabschluss reiste der grösste Teil des Swiss-Teams mit einem Fernbus Richtung Süden nach Bulawayo, der zweitgrössten Stadt des Landes. Dort nahmen wir den Nachtzug nach Victoria Falls ganz im Nordwesten – ein kleines afrikanisches Eisenbahnabenteuer. Mit 2 Stunden Verspätung, nachdem endlich eine funktionsfähige Diesellok zur Verfügung stand, ging es los. Wir erlebten die Fahrt relativ komfortabel im etwas heruntergekommenen Schlafwagen, aber immerhin mit frischer und sauberer Bettwäsche. Wie es sein muss, die Reise in den überfüllten Sitzwagen zu machen, haben wir uns lieber nicht vorgestellt. Während der ganzen Nacht tauchte immer wieder einmal ein Feuer neben der Strecke auf, wo Reisende geduldig auf das Eintreffen des verspäteten Zuges warteten.

Am anderen Morgen trafen wir immer noch verspätet, aber sicher in Vic Falls ein. Eine romantische Sunset Cruise auf dem Sambesi mit einem feinen Dinner bildete den Tagesabschluss. Am nächsten Tag stand dann natürlich ein Besuch der weltberühmten Wasserfälle auf dem Programm (Regenschutz empfohlen!). Eine Safari in einem nahegelegenen Wildpark bildete dann den Abschluss einer spannenden Reise, die uns via Johannesburg wieder zurück nach Zürich führte.

Text: Gerold Ritter. Fotos: Tobias Kramer, Hanspeter Burger, Gerold Ritter

Website des Music Camps 2017 mit Blog (englisch), Videos vom Abschlusskonzert und vielen Fotos: https://mc2017.swizimaid.ch

PS:
Kurz vor Weihnachten kam noch diese Whatsapp-Nachricht aus Zimbabwe:
„How are you? I’m very happy this term our school band managed to get position 1 in the Salvation army Schools Competitions. We give credit to your good teachings especially the dynamics which managed to get us to position 1.“ *

* „Wie geht es Dir? Ich bin sehr glücklich, dass es unsere Schul-Band in diesem Semester geschafft hat, den ersten Platz im Heilsarmee-Schul-Wettbewerb zu erreichen. Wir schreiben das Deinem guten Unterricht – speziell bei der Dynamik – zu, der uns auf Platz 1 gebracht hat.“