Vereinsgeschichte

Ob es dieses Mal klappen würde? In einem Dorf vor den Toren von Zürich gründeten im Jahr 1900 elf Musikanten einen neuen Verein: den Musikverein Harmonie Altstetten. Doch ganz neu war der Verein nicht, denn eigentlich erfolgte bereits 1893 die Gründung eines gleichnamigen Vereins, der allerdings schon 1896 wieder aufgelöst wurde.

MHA 1901: Die wackeren Mannen der Harmonie Altstetten mit ihren einheitlichen Hüten.

Im zweiten Versuch war dem Unternehmen mehr Erfolg beschieden. 1901 leistete man sich eine erste «Uniform» in der Form von einheitlichen Hüten, teilweise finanziert durch Bussen von 20 Rappen für verspätetes Erscheinen an den Proben und 50 Rappen für unentschuldigte Absenzen. 1907 folgte dann die erste richtige Uniform und 1912 die Vereinsfahne. Damit war das Musikkorps endlich mit allen Attributen eines Vereins ausgestattet.

1920 nahm die bisher reine Blech-Formation erstmals auch Holzbläser auf und wurde so zur richtigen Harmoniemusik mit 32 Mitgliedern. Nun wagte man sich auch an grössere Projekte: 1925 wurde mit grossem Erfolg das 16. zürcherische Musikfest organisiert.

MHA 1927: Der Musikverein Harmonie Altstetten zieht durch das Dorf.

Bis 1934 war aus Altstetten ein Industrievorort geworden, der in der zweiten Eingemeindung zu einem Teil der Stadt Zürich wurde. Seit diesem Jahr ist die Harmonie Altstetten auch Spiel der damals neu gegründeten Zunft zur Letzi. Seither begleitet sie als Letzi-Spiel viele zünftige Anlässe, vor allem natürlich das jährliche Sechseläuten, wobei der Verein bereits 1908 einmal als Musik der Stadtzunft Zürich an diesem Anlass teilgenommen hatte.

Trotz der Wirtschaftskrise konnte der Verein seine Mitgliederzahlen bis 1936 auf 53 Mitglieder steigern. Kurz vor dem 2. Weltkrieg nahm der MHA am grossen Landi-Festumzug teil. Im Krieg waren dann viele Vereine wegen des Aktivdienstes kaum mehr spielfähig. Notgedrungen führten die Altstetter in dieser dunklen Zeit Proben und Konzerte gemeinsam mit den Nachbarn aus Höngg durch.

Nach überstandenen Kriegstagen wandte man sich erfreulicheren Themen zu: zum 50-jährigen Jubiläum 1950 leistete sich die Harmonie nicht nur eine neue Uniform, sondern veranstaltete auch den städtischen Musiktag samt einem Gastverein aus dem holländischen Diemen. 1951 erreichte der Verein am 19. Kantonalen Musikfest in Winterthur einen einmaligen musikalischen Höhepunkt mit dem 1. Rang in der 1. Klasse.

1961/62  traf sich der Verein mehrmals im Radiostudio Zürich, um eine Schallplatte aufzunehmen, die heute längst in Vergessenheit geraten ist. Aber irgendwie ist es ja auch ermutigend, dass die Live-Musik die «Konserve» bei weitem überlebt hat. 

1965 konnte der Verein erstmals seine Proben im heutigen Probenlokal im Schulhaus Kappeli abhalten. Elf Jahre später wurde endlich ein alter Zopf abgeschnitten: die ersten Bläserinnen wurden in die Harmonie Altstetten aufgenommen, die beide prompt einen Musikanten aus dem Verein heirateten.

Die MHA-Fahne von 2000

Der hundertste Geburtstag sollte ganz gross gefeiert werden: Ein Fest an zwei Wochenenden, verbunden mit einem Musiktag und der Weihe der dritten, heutigen Vereinsfahne fand leider nicht die erhoffte Publikumsresonanz, woraus ein grosses Defizit resultierte. Die Zeit für solch grosse Vereinsanlässe in der Stadt Zürich war wohl vorbei.

Es brauchte einige Jahre, bis sich der MHA von den organisatorischen und finanziellen Folgen erholt hatte. Das «Schnapszahl-Jubiläum» von 111 Jahren ging man dann kleiner an: Im Rahmen des Frühlingskonzerts wurde die neue, aktuelle Uniform vorgestellt, die nichts Militärisches mehr hat und zeitgemäss eher einem eleganten Anzug gleicht. 

Heute weist der Verein gut 50 Mitglieder auf. Fixpunkte im Jahresprogramm sind das Frühlingskonzert im Mai mit eher populärer Ausrichtung und die Kirchenkonzerte im Advent, bei denen symphonisch-konzertante Werke zur Aufführung gelangen. Daneben tritt der Verein am Sechseläuten sowie an Sommer- und Platzkonzerten in der Innenstadt und im Quartier auf.

Nach über 120 Jahren zieht der Musikverein Harmonie Altstetten Inspiration und Kraft aus seiner wechselvollen Geschichte und blickt optimistisch in eine hoffentlich noch lange währende Zukunft.

Gerold Ritter